Von Geistern, Schiffen und Liebhabern: Jenseitswelten

Eine Ausstellung im Völkerkundemuseum der Universität Zürich
vom 2. November 2005 bis 26. Februar 2006
Vernissage Allerheiligen, 1. November 18:00

Presseorientierung

Allerheiligen, 1. November 11:00 im Völkerkundemuseum der Universität Zürich, Pelikanstrasse 40, 8001 Zürich, Kontakt: Marion Wettstein (wettstein@vmz.unizh.ch)

Pressetext kurz:

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Das Leben nach dem Tod steht ausser Zweifel – jedenfalls für die meisten Kulturen dieser Welt. Die Frage nach dem Jenseits, die der westlichen Welt oft so schwer fällt, ist von den meisten aussereuropäischen Kulturen längst beantwortet worden. Beschreibungen und Darstellungen der Totenwelt finden sich in zahlreichen Mythen, Gesängen und Ritualen sowie in besonderem Masse in der materiellen Kultur. Mokassins, auf denen der Verstorbene auf der Milchstrasse ins Land der Geister wandert, Masken, die aus dem Unterwasserhimmel auftauchen oder eine Landkarte für die Seelen der Toten, sind nur einige der ausgewählten Objekte, die ab November im Völkerkundemuseums der Universität Zürich zu sehen sind. Jedes für sich eröffnet dem Besucher einen eigenen Zugang zur Welt der Toten. Aber auch Parallelen zu abendländischen Jenseitsvorstellungen lassen sich erkennen, wenn zum Beispiel irrende Seelen ihre Liebsten mit in den Tod reissen oder furchterregende Dämonen mit Höllenqualen drohen. Zur Ausstellung, die gemeinsam mit Studierenden der Ethnologie erarbeitet wurde, erscheint ein gleichnamiger Katalog.

Pressetext lang:

(ca. 4000 Zeichen mit Leerzeichen)

Das Leben nach dem Tod steht ausser Zweifel – jedenfalls für die meisten Kulturen dieser Welt. Die Frage nach dem Jenseits, die der westlichen Welt oft so schwer fällt, ist von den meisten aussereuropäischen Kulturen längst beantwortet worden und die Feststellung, dass die Welt der Lebenden und die Welt der Toten einander sehr nahe sind, drängt sich geradezu auf. Beschreibungen und Darstellungen der Totenwelt finden sich in zahlreichen Mythen, Gesängen und Ritualen sowie in besonderem Masse in der materiellen Kultur. Ab November sind im Völkerkundemuseum der Universität Zürich einige ausgewählte Objekte zu sehen, von denen jedes für sich eine eigene Jenseitswelt eröffnet.

Eine detaillierte Zeichnung der Priester der Ngadju Dajak auf Borneo (Kalimantan) zeigt etwa, dass die Oberwelt vom „langen Fluss des Nashornvogels“ durchzogen ist, an einer dessen Quellen der Palast des Oberweltgottes Mahatala steht. Auch das Ursprungsdorf der Ahnen ist abgebildet. Es ist das Ziel der Verstorbenen, wenn sie vom Luftgeist Tempon Telon auf einem reich verzierten Seelenschiff von der Begräbniszeremonie abgeholt werden. Eine ganz andere Jenseitsvorstellung findet sich bei den Baule an der Elfenbeinküste. Sie schnitzen Statuetten, die Liebhaber und Liebhaberinnen aus dem Blolo repräsentieren, einer Sphäre, in der die Menschen sich vor ihrer Geburt aufhalten. Die Blolo-Wesen können auf den irdischen Partner ihres Geliebten eifersüchtig reagieren und verursachen nicht selten sexuelle Probleme.

Es zeigt sich in vielen der Beispiele, dass die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits durchlässig und nicht genau lokalisierbar ist. Der Übertritt in die andere Welt – sei es final durch den Tod oder zeitlich begrenzt durch Vermittler wie etwa Schamanen – ist indes fast überall mit einer langen, beschwerlichen Reise verbunden. Diese wird durch rituelle Handlungen unterstützt und kann sich über den gesamten Kosmos ausdehnen. So werden den Toten bei den Lakota im mittleren Westen der USA anlässlich der Bestattung spezielle Mokassins angezogen, die im Gegensatz zu herkömmlichen Mokassins auch auf der Laufsohle mit Glasperlen bestickt sind. Die Verstorbenen wandern auf der Milchstrasse in Richtung Süden, um ins „Land der Geister“ Wanagjata zu gelangen. Dank der bestickten Sohlen können die auf der Erde zurückgebliebenen Verwandten den Weg der Verstorbenen am Himmel mitverfolgen.

Unter den Ausstellungsstücken befindet sich auch ein Objekt, von dem gesagt wird, dass es direkt aus dem Jenseits stamme. In der Vorstellung der Mende in Sierra Leone wird die Sowo-Maske nicht von Menschenhand geschnitzt, sondern taucht – so wie sie ist – aus dem Unterwasserhimmel auf. Sie repräsentiert den Sowo-Geist, eine Frau, die das absolute Schönheitsideal der Mende verkörpert und als Beschützerin der Gesellschaft gilt. Getragen wird die Maske etwa fünfmal im Jahr von der Sowei, der Führerin des Frauengeheimbundes Sande. Trägt die Sowei die Maske, hat sie absolute Macht; niemand, auch kein Mann, soll je ihren Wünschen widersprochen haben.

Die in der Ausstellung versammelten Objekte aus den verschiedensten Weltgegenden bieten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Anregungen und Vergleichsmomente, um in vielleicht ungewohnten Bahnen über das Leben nach dem Tod nachzudenken. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit 13 Studierenden der Ethnologie konzipiert. Das Völkerkundemuseum der Universität Zürich ermöglicht es Studierenden regelmässig in Zusammenarbeit mit Museumsmitarbeitern an Ausstellungs- und Publikationsprojekten mitzuwirken.

Zur Ausstellung erscheint ein gleichnamiger Katalog, der im Völkerkundemuseum erhältlich ist: Wettstein, Marion (Hrsg.). 2005. Von Geistern, Schiffen und Liebhabern: Jenseitswelten. Völkerkundemuseum der Universität Zürich. 80 Seiten, 33 Farbbilder und beigelegtes Farbfaltblatt. ISBN 3-909105-47-5. CHF 27.-.