Pressetexte

Pressebilder

Pressetext kurz

Die Macht der Wildnis - Das Tier in der afrikanischen Kunst

Die Ausstellung im Völkerkundemuseum zeigt anhand ausgewählter Stücke von einmaliger Qualität die mannigfaltige Erscheinungsweise des Tieres in der traditionellen afrikanischen Kunst und beleuchtet dessen vielschichtige Rolle. Sie geht der Frage nach, warum und zu welchem Zweck Tiere dargestellt wurden, was sie bedeuten und wie sich die vielen Mischformen von Tier und Mensch erklären lassen.

Das Tier ist neben dem Menschen das häufigste Motiv der traditionellen afrikanischen Kunst. Dargestellt werden meist wild lebende Tiere. Vor allem in der Maskenkunst tritt das Tier häufig mit dem Menschen zu Mischwesen vereint auf, und nicht selten werden Merkmale verschiedener Tierarten gemeinsam in ein und demselben Stück zur Darstellung gebracht. Daneben gibt es aber auch Masken, worauf ein oder mehrere Tiere aufgesetzt sind, oder Arbeiten – vor allem Figuren –, in denen das Tier weitgehend die Gestalt des Menschen angenommen hat.

Pressetext lang

Die Macht der Wildnis - Das Tier in der afrikanischen Kunst

Das Tier ist neben dem Mensch das häufigste Motiv der traditionellen afrikanischen Kunst. Dargestellt werden meist wild lebende Tiere. Vor allem in der Maskenkunst wird das Tier häufig mit dem Mensch zu Mischwesen vereint verbildlicht. Nicht selten werden Merkmale verschiedener Tierarten gemeinsam in ein und demselben Stück zur Darstellung gebracht. Daneben gibt es aber auch Masken, auf denen ein oder mehrere Tiere erscheinen, oder Arbeiten – vor allem Figuren –, in denen das Tier die Gestalt des Menschen angenommen hat.

Die Ausstellung zeigt anhand ausgewählter Beispiele die vielfältige Erscheinungsweise des Tieres in der traditionellen afrikanischen Kunst und beleuchtet seine vielschichtige Rolle. Sie geht der Frage nach, warum und zu welchem Zweck in der traditionellen afrikanischen Kunst Tiere dargestellt wurden, was sie bedeuteten und wie sich die vielen Mischformen von Tier und Mensch erklären lassen.

Wildnis als Ort spiritueller Kräfte
Aufenthaltsort der Tiere ist die Wildnis. Der Ausstellungstitel «Macht der Wildnis» verweist auf die grosse spirituelle Potenz, die in den traditionellen afrikanischen Kulturen mit dieser assoziiert wurde. Wildnis und Dorf wurden als Gegensätze aufgefasst. Das Dorf, gleichbedeutend mit Kultur, stand für Ordnung, Geborgenheit, Gepflegtheit und Schönheit. «Wildnis» dagegen meint die sich selbst überlassene Welt ausserhalb des Dorfes, die wilde Natur in unserem Sinne, den Busch. Sie galt als formlos, chaotisch, unberechenbar, bedrohlich und hässlich und wurde neben den für spirituell begabt gehaltenen Tieren auch von anderen übelwollenden Geistern bewohnt. Zugleich war sie aber auch eine Quelle der Kraft, denn die meist destruktive Energie der sie bevölkernden Wesen konnte mittels der Kunst und begleitenden rituellen Massnahmen gebändigt und, in positive verwandelt, guten Zwecken zugeführt werden.Viele Tierdarstellungen in der afrikanischen Kunst sind mit diesem Gedanken der Transformation verbunden. Es ging in der Kunst in der Regel nicht um die Abbildung des Tieres als solchem, sondern vielmehr um die Vergegenwärtigung der Macht und der Eigenschaften, für die es stand. Afrikanische Tierdarstellungen sind somit mehrheitlich Verkörperungen spiritueller Energien. Verkörperte das dargestellte Tier keine spirituelle Macht, so verwies es dennoch auf die Wildnis, da es an sich Teil dieser war.

Domestizierung der Bewohner der Wildnis
In den anthropozentrisch ausgerichteten Kulturen des traditionellen Afrika galt der Mensch als das Mass aller Dinge. Er wirkte auf alles Beseelte und Lebendige anziehend. Tiergestaltige spirituelle Wesen trachteten danach, die schöne Erscheinung des Menschen anzunehmen, und sie liessen sich bereitwillig in den für sie geschnitzten anthropomorphen Statuen und Masken nieder. Nach Annahme menschlicher Züge galten sie als gezähmt. Sie gerieten dadurch unter die Kontrolle der Menschen, die sich ihrer spirituellen Energie fortan bedienten. Da die Geistwesen jedoch durch die Domestikation ihre Macht verloren hatten, musste diese auf rituellem Weg immer wieder neu hergestellt und aktiviert werden.

In den meisten anthropomorphen Schnitzereien dieser Art blieb das ursprüngliche Aussehen der dargestellten tiergestaltigen spirituellen Wesen jedoch andeutungsweise erhalten, wie es vor allem durch die vielen Masken sichtbar wird, die sowohl menschliche als auch tierische Merkmale zeigen. Die menschlichen Züge – Gesicht oder Rumpf – deuten an, dass jene domestiziert und Teil der Welt der Menschen geworden sind, und die tierischen – Maul, Hörner oder andere Merkmale einer oder mehrerer Tierarten – verweisen auf ihre ursprüngliche Identität und damit auf ihre geistige Potenz. Wenn ein Werk Merkmale verschiedener Tierarten zeigt, so sind darin mehrere Geistwesen verkörpert beziehungsweise spirituelle Energien verschiedener Provenienz materialisiert. Das Werk galt dadurch als besonders mächtig.

Nicht jede Zähmung von Naturgeistern geschah jedoch über die Annahme menschlicher Züge, und nicht immer verwiesen anthropomorphe Merkmale in einer Tierdarstellung auf Domestikation. In manchen Fällen blieb die ursprüngliche tierische Gestalt auch nach der Zähmung gewahrt, und manche anthropo-theriomorphe Zwitter in der Kunst galten als naturgetreue Wiedergaben der betreffenden spirituellen Wesen.

Tiere und soziale Hierarchie
In vielen afrikanischen Gesellschaften projizierte man die soziale Hierarchie des Dorfes in die Wildnis. Man ging davon aus, dass sich tierische und menschliche Ordnung strukturell entsprechen. Diese beiden hierarchischen Ordnungen wurden anlässlich aufwendiger Feste im Sinne einer Kosmosdarstellung durch Maskenauftritte veranschaulicht und einander gegenübergestellt. Darüber hinaus verfolgten die Maskenauftritte den Zweck, den Gegensatz zwischen Kultur und Natur vor Augen zu führen und auf die bedrohliche und zugleich kraftspendende Eigenschaft der letzteren hinzuweisen. Durch den Vergleich mächtiger Tiere wie des Elefanten oder Leoparden mit Menschen in höchsten gesellschaftlichen Positionen wurden deren aussergewöhnliche Fähigkeiten und Stärken beschworen und gefestigt. Die vielen Machtinsignien mit Tiermotiven hatten die gleiche Funktion.

Totemtiere
In mehreren afrikanischen Gesellschaften gab es zwischen Clans und Clangruppen und einer bestimmten Tierart Bündnisse. Das Tier wurde dabei von den Clanzugehörigen tabuisiert und als Totem kultisch verehrt. Meist galt es als Clangründer und zeigte seine Sympathie gegenüber den Mitgliedern des Clans, indem es zuerst als Kulturbringer, Wohltäter oder Lebensretter in Erscheinung trat und später als deren spirituelle Schutzmacht fungierte. Das Totemtier verfügte über die übermenschlichen Kräfte der Natur, und eine ihm geweihte Maske verlieh ihm dauernde Präsenz im Dorf.

Dorf und Wildnis als ineinandergreifende Gegensätze
Dorf und Wildnis galten zwar als Gegensätze, standen sich aber nicht als in sich geschlossene Welten gegenüber, sondern griffen ineinander. Beide Welten waren, wie die erwähnten Kosmosdarstellungen zeigen, in der jeweils anderen enthalten. Tieren (und tiergestaltigen spirituellen Wesen) wurde oft menschliches Verhalten zugeschrieben, und jede afrikanische Gesellschaft besann sich des Wilden im Menschen.

Durch die Ausstellung führt folgende Publikation, welche auch im Museum zu beziehen ist:
Szalay, Miklós (Hrsg.), Die Macht der Wildnis. Das Tier in der afrikanischen Kunst. Völkerkundemuseum der Universität Zürich 2006, 40 Seiten, 17 Farbabb.,
ISBN 9 78390910548 9, Fr. 8.–