Pressetexte
Geschichten aus der Schattenwelt
Pressetext kurz
Geschichten aus der Schattenwelt: Figuren aus China, Indien und der Türkei5. Dezember 2008 bis 24. Mai 2009
Im Völkerkundemuseum der Universität Zürich präsentieren Studierende der
Ethnologie Schattenspielfiguren aus der Sammlung des Museums. Die vorgestellten
Stücke, bemalte Pergamentfiguren, stammen aus Südchina, aus Südindien
sowie aus der Türkei.
Die Ausstellung bietet den Besuchern über die
Hintergrundinformationen und die Figuren hinaus verschiedene Zugänge. An
einer Hörstation kann typischen Geschichten gelauscht werden, von der historischen
chinesischen Erzählung über das indische Heldenepos Ramayana bis
hin zur türkischen politischen Satire. Ein Video zeigt, wie mit den Figuren in
den drei Ländern gespielt wird. Blicke auf das Weiterbestehen und die
Weiterentwicklung der Tradition in Zeiten der Konkurrenz mit modernen
Massenmedien runden die Ausstellung ab.
Pressetext lang
Geschichten aus der Schattenwelt: Figuren aus China, Indien und der Türkei
5. Dezember 2008 bis 24. Mai 2009
Die Wurzeln des Schattentheaters liegen in Asien. Die meisten Wissenschaftler
gehen davon aus, dass es sich von China aus Richtung Westen verbreitete.
Den ausgestellten Figuren aus Südchina, Südindien und der Türkei ist gemeinsam,
dass sie ursprünglich einen Bezug zum Jenseits, zur übersinnlichen
Welt der Götter aufwiesen. Die Ausstellung «Geschichten aus der Schattenwelt» erzählt von diesen sagenhaften Ursprüngen und wie sich das Schattenspiel
in den drei Ländern eigenständig weiterentwickelte. Während die Geschichten
zum verbreiteten Erzählgut der Kulturen gehören, handelt es sich bei ihrer
Darstellung im Schattentheater um eine professionelle Populärkunst. Noch
heute stellen die Spieler ihre Figuren selber her und geben ihr Wissen von einer
Generation an die nächste weiter.
Das chinesische Schattenspiel: Die Oper des kleinen Mannes
Einer chinesischen Sage zufolge verlor der Kaiser Han Wudi, der um 100 vor
unserer Zeit lebte, unerwartet seine Lieblingsfrau. Er war untröstlich und
konnte ihren Tod kaum verwinden. Da soll ein Magier dem Kaiser versprochen
haben, sie für kurze Zeit wieder zum Leben zu erwecken. Er spannte
eine Leinwand, hängte dahinter eine Laterne auf und bat den Kaiser, davor
Platz zu nehmen. Plötzlich erschien der Schatten einer jungen Frau, anmutig
und schön, wie es einst seine Konkubine gewesen war.
In China lag der Schwerpunkt der Geschichten zunächst auf historischen
Themen. In der Ming-Zeit (1368–1644) nutzten Mönche das Schattenspiel
zur Verbreitung des Buddhismus. In der Qing-Zeit (1644–1911) kamen neue
Themen wie Gespenster-, Liebes- und Kriegsgeschichten zur Aufführung. Das Schattenspiel wurde zur «Oper des kleinen Mannes».
Das indische Schattenspiel: Die Urform des Dramas
Als älteste Schauspielform des Landes bietet das indische Schattentheater
Stoff für Aufführungen von Heldenepen und religiösen Themen aus der Sanskritliteratur. Eine indische Legende erzählt vom Fährmann Guha, der den Gott
Rama traf, als dieser gerade im Begriff war, die irdische Welt zu verlassen.
Voller Schreck fragte Guha den Gott Rama, was die Menschheit ohne seine
Anwesenheit auf Erden tun solle. Da schenkte Rama dem Fährmann eine
Schattenspielfigur, die sein Ebenbild war. Er ermunterte ihn, den Menschen
mit seinen Heldengeschichten Unterhaltung und Trost zu bringen.
Der rituelle Charakter des Schattenspiels fällt in Indien auf, wenn es zur
Vertreibung böser Geister, zur Sicherung von Wohlstand und Fruchtbarkeit
sowie zur Erlangung von Gesundheit und Wohlbefinden aufgeführt wird.
Zusammen mit diesen rituellen Zwecken werden religiöse Botschaften sowie
Vorstellungen über Sitte und Moral unterhaltsam verbreitet.
Das türkische Schattenspiel: Spass und politische Satire
Der Ursprung des türkischen Schattentheaters ist nicht eindeutig geklärt. Eine
Legende erzählt vom Sultan Orhan, der im 14. Jahrhundert in der damaligen
osmanischen Hauptstadt Bursa lebte. Orhan gab den Bau einer Moschee in
Auftrag. Zwei der Bauleute hiessen Karagöz und Hacivat. Da die beiden mit
ihren Spässen und Prügeleien die Maurer unterhielten, verzögerte sich der
Bau der Moschee. Dies erzürnte den Sultan so sehr, dass er Karagöz und
Hacivat hinrichten liess. Als er aber sah, wie sehr ihre Kameraden um sie
trauerten, befahl er, die beiden Spassvögel als Pergamentfiguren auferstehen
zu lassen.
Das osmanische Reich war ein Vielvölkerstaat. Die Erzähltraditionen der
Völker in ihren unterschiedlichen Religionen und Sprachen boten reichlich
Stoff für das Theater. Mit Humor konnten gesellschaftliche und politische
Tabus gebrochen und die Zensur umgangen werden.
Die Ausstellung wurde im Rahmen eines viersemestrigen Museumskurses
unter der Leitung von PD Dr. Martin Brauen und Tina Wodiunig von sieben
Studierenden der Ethnologie, Isabel Baier, Carmen Desax, Cédric Haindl, Iris
Hartmann, Gabriela Karski, Vicky Pronk-Jansen und Marlène Stadler, konzipiert
und realisiert.
Venissage: Donnerstag, 4. Dezember 2008, 18:00 Uhr
Begrüssung: Prof. Dr. Mareile Flitsch,
Direktorin des Völkerkundemuseums
Einführung: Studierende des Museumskurses führen in die
Ausstellung ein
Dauer der Ausstellung: 5. Dezember 2008 bis 24. Mai 2009
Öffnungszeiten: Di - Fr 10 - 13, 14 - 17 Uhr, Sa 14 - 17 Uhr, So 11 - 17 Uhr.
Eintritt frei