Geschichten um den Augenblick
Fotos und Texte von Kindern
Foyersaal
ab 29. Oktober 1999
Hochauflösende Tiff-Bilder erhalten Sie durch anklicken des entsprechenden Bildes
nebenan.
Pressetext:
Kinder haben ihre eigenen Blickwinkel und Perspektiven, ihre eigenen Augenblicke, ein
eigenes Verstehen ihres Lebens- und Kulturzusammenhangs, oder einfach ihren eigenen
Blick auf die Dinge.
Basierend auf dieser Grundannahme wurde ein Austausch von Erleben, Sichtweisen und
Wissen von Kindern für Kinder realisiert.
Im Rahmen eines mehrjährigen Projektes wurde Kindern unterschiedlichen kulturellen
Hintergrundes die Möglichkeit gegeben, mit den Mitteln der Fotografie und des
Fotointerviews ein Bild ihres ganz persönlichen Lebens zu entwerfen.
Die Kinder arbeiteten mit einfachen Autofocus-Kameras, da die Direktheit der Situation
nicht durch technische Schwierigkeiten gebremst werden sollte. So war es auch möglich,
die Kinder ohne erwachsene Begleitung fotografieren zu lassen, in vielen Fällen Kinder,
die noch nie eine Kamera in der Hand gehalten hatten.
Im ersten Teil des Projektes (1992 - 96) haben über 200 Kinder im In- und Ausland mit
grossem Engagement Momente ihres Alltags in Schwarzweiss-Fotografien und Geschichten
festgehalten. Am Projekt beteiligten sich sechs Kulturgruppen in der Schweiz (Walliser
Kinder, jenische Kinder in Bern, türkische Kinder in Schaffhausen, Flüchtlingskinder und
jüdische Kinder in Zürich, sowie Immigrantenkinder im Zürcher Stadtkreis 5).
Auslandprojekte fanden bei Inuit-Kindern in Kanada, bei ladakhischen und tibetischen
Kindern in Nord-Indien, bei Muria-Kindern in Zentral-Indien und bei kroatischen Kindern in
Dubrovnik nach dem Krieg statt.
Die Bilder und Texte der Kinder erzählen vom Spielen und vom Krieg, von der Schule und
der Arbeit auf den Feldern, von Freunden und Festen, von Tieren und Bäumen, vom
Fremdsein, von Trauer und Wut, aber auch von Zukunftsträumen und Lebensfreude.
Sowohl die Bilder, wie auch die Geschichten überzeugen durch ihre Unmittelbarkeit und
Ehrlichkeit. Die Kinder spiegeln uns Erwachsenen mit unverstelltem Blick die Welt, welche
wir für sie geschaffen haben.
Die Ausstellung "Geschichten um den Augenblick" stellt die verschiedenen
Regionen, in denen das Projekt stattfand, nebeneinander. So ist einerseits ein
Quervergleich möglich, andererseits aber erhalten die Besucher und Besucherinnen Einblick
in die jeweiligen Kulturen. Das Material aus der Schweiz ermöglicht eine differenzierte
Sicht auf die kulturelle Vielfalt unseres Landes, allerdings ohne Anspruch auf
Vollständigkeit.
In der Publikation "Geschichten um den
Augenblick" zeigt sich das Material thematisch gegliedert. In allen zehn
Projektteilen hat sich gezeigt, dass sich die Themen der Kinder immer wieder gleichen. So
lassen sich die Bilder in neun Themenfelder einteilen: Familie, Schule, Freizeit, Freunde,
Tiere, Lebensraum, Religion, Portraits und Krieg. Diese Strukturierung des Materials
ermöglicht die Auseinandersetzung mit Vertrautem und Fremdem in verdichteter Form.
Idee und Sinn der Ausstellung und der Publikation ist es, das Material der
verschiedenen Kindergruppen zusammenzuführen. Die am Projekt beteiligten Kinder werden
sich noch einmal selbst begegnen, nun aber als Teil eines grösseren Ganzen, eines
erweiterten Blickes.
Projektleitung: Ulrike Kaiser |
"Dieses
kleine Mädchen geht zur Schule und hilft daneben zu Hause mit. Sie bringt Holz nach
Hause, kauft Essen auf dem Markt ein.
Ich muss zu Hause auch mithelfen. Ich bringe Wasser ins Haus. Bei uns kommt ein
Wassertankwagen vorbei, und ich trage das Wasser dann von der Strasse ins Haus. In den
Winterferien kümmere ich mich ums Holz. Es ist kalt hier im Winter, deshalb brauchen wir
Holz zum Feuern. In der Gegend von Leh ist es sehr schwierig, Holz selber zu
sammeln."
Foto und Text: Imtierz Ahmad, 15 Jahre, Ladakh
"Tanja, meine Schwester, hält den Kirschbaum im Arm und
hält eine Blüte in der Hand. Sie lacht und umarmt den Baum. Das gefällt mir.
Es war schön mit den Blüten und dem Baum im Arm."
Foto und Text: Saskia, 7 Jahre, Ried-Mörel
"Es gibt immer Leute, die sagen, dass wir stehlen. Aber es
gibt ja von jedem Volk Leute, die stehlen. Es sind nicht alle Menschen von einem Volk
gleich. Es gibt auch Leute, die sagen, dass wir ein Dreckspack sind, dass wir stehlen, und
man nicht mit uns spielen soll.
Mein Lehrer zum Beispiel kam vor allen anderen Kindern zu mir und sagte:"Ja, wir
wissen, Zigeuner hatten schon immer Probleme mit dem Duschen." Aber wir hatten nach
dem Turnen alle nicht geduscht. Ich habe nichts gesagt. Erst meiner Mutter habe ich es
erzählt
Am Anfang hat es mir nichts ausgemacht, was der Lehrer gesagt hatte, aber als ich anfing
darüber nachzudenken, fing es an weh zu tun."
Foto: Natascha, 6 Jahre, unterwegs/Bern
Text: Kevin, 12 Jahre, unterwegs/Bern
"Ana wollte gerade einen Jungen fotografieren, und ich
wollte ein Foto von ihr machen. Sie hob gerade den Fotoapparat, um den Jungen zu
fotografieren. Sie schaffte es nicht, aber ich habe sie fotografiert.
Wir lernen zusammen, spielen zusammen. Wir verbringen viel Zeit zusammen. Wir gehen
miteinander in den Religionsunterricht und in die Stadt. Wir sind gute Freundinnen."
Foto und Text: Ivona, 10 Jahre, Dubrovnik |