Gestickte Gebete
aus dem Hazarajat, Afghanistan
2. Stock
16. Januar bis 12. November 2000
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Pressetext:
»Gestickte Gebete«?
Gebetet wird überall auf der Welt, doch nur ein einziges Volk benützt zum Beten
gestickte »Gebetstücher«: die Hazara in Afghanistan, eine ethnische Minderheit
schiitischer Konfession, die heute in schwerer Bedrängnis lebt. Ihre Gebetstücher sind
ein Identitätsmerkmal der Hazarakultur; trotzdem waren sie bis vor wenigen Jahren
ausserhalb ihrer Bergheimat unbekannt. Beten ist intim, und schiitische Muslime tarnen
ihre religiöse Besonderheit, wenn sie in einer feindseligen Umgebung leben. (In
Afghanistan ist der Islam sunnitischer Prägung Staatsreligion; die Taleban nehmen für
sich in Anspruch, den sunnitischen Islam zu vertreten, und verfolgen die schiitischen
Hazara.)
In der Ausstellung wird aus einer grösseren Sammlung von rund 900 Gebetstüchern eine
repräsentative Auswahl gezeigt. Die ganze Sammlung gehört Verena Frauenfelder, der
Gründerin der »Schaffhauser Afghanistanhilfe«. Verena Frauenfelder ist an sich keine
Sammlerin exotischer Textilien. Die Sammlung hat sie als persönliches Geschenk empfangen,
ein Geschenk, das ihr viele Hazarafamilien aus dem Jhagoridistrikt im Hazarajat gemeinsam
machten. Sie wollten damit ihren Dank für empfangene Hilfe ausdrücken. Vielleicht
spielte auf Seiten der Hazara auch der Wunsch mit, wertvolle Dokumente ihrer Kultur in
einer Zeit der Verfolgung und des Bürgerkrieges an einen sicheren Ort zu senden. (Über
Jahre bekam Verena Frauenfelder regelmässig Postpakete aus Afghanistan geschickt, die
jeweils Dutzende von Gebetstüchern enthielten.) Denn die Gebetstücher sind in der Tat
einzigartige Kulturdokumente, die als vielschichtige Texte zu lesen sind. Sie enthalten
Geschichte, Tradition und Wertvorstellungen der Hazara und erzählen von ihrer religiösen
Innenwelt in einer Symbolsprache von ungebrochener Aktualität. Die stickenden Frauen
schöpfen aus einer gemeinsamen Tradition, und doch ist kein Gebetstuch genau gleich wie
das andere. In der Wahl von Farben, Mustern, Stichen und Darstellungsart ist jede
Stickerin frei; es gibt wohl ästhetische Gewohnheiten, aber keine festen Regeln. So
spiegelt jedes Gebetstuch auch die Individualität der Frau, die es gemacht hat, und die
Vielfalt ist entsprechend gross, obwohl der gemeinsame Motivschatz stets erkennbar bleibt.
Die Gebetstücher sind zwischen 20 und 100 Jahre alt; einige wenige sind neu und wurden
von Mädchen in der Schule gestickt. Durch den rituellen Gebrauch kommt ein Gebetstuch in
ständige Berührung mit dem »Gebetsstein«, von dem Baraka, »Segenskraft«, ausgeht.
Über die Jahre wird das Tuch mit Baraka allmählich aufgeladen, und deshalb gehören
ältere, auch abgenützte Gebetstücher zu den »heiligen Dingen«, die man mit Respekt
behandelt.
Die Besitzerin der Sammlung versteht sich als Treuhänderin der Gebetstücher. Sobald
in Afghanistan Friede einkehrt, will sie den Hazara ihre Gebetstücher zurückgeben.
Einstweilen soll die Ausstellung dazu beitragen, an die Existenz eines bedrohten
Bergvolkes zu erinnern. Die Ausstellung wurde vom Völkerkundemuseum der Universität
Zürich realisiert. Eine Begleitpublikation
über Kultur und Geschichte der Hazara, die von Paul Bucherer (Afghanistan-Archiv,
Liestal) und Cornelia Vogelsanger (Völkerkundemuseum) gemeinsam herausgegeben wird,
enthält 93 Farbabbildungen von Gebetstüchern und ist im Völkerkundemuseum zu beziehen.
(Sie kann bestellt werden unter Tel. 01 634 90 11, Fax 01 634 90 50 oder per e-mail)
Völkerkundemuseum der Universität Zürich
Pelikanstr. 40, 8001 Zürich
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 10 - 13 und 14 - 17 Uhr
Samstag: 14 - 17 Uhr
Sonntag: 11 - 17 Uhr
Eintritt frei |
Gebetstuch
der Hazara, Afghanistan
Gebetstuch der Hazara, Afghanistan
Gebetstuch der Hazara, Afghanistan
Gebetstuch der Hazara, Afghanistan
Gebetstuch der Hazara, Afghanistan |