schön/hässlich. Gegensätze
Afrikanische Kunst aus der Sammlung des Völkerkundemuseums der
Universität Zürich
2. Stock
31. März bis 30. Juni 2002
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entsprechenden Bildes nebenan; wir können Ihnen auch eine CD-ROM mit
Bildern noch höherer Auflösung zukommen lassen.
Zur Ausstellung erscheint die Publikation:
Miklós
Szalay: schön/hässlich. Gegensätze. Afrikanische Kunst aus der Sammlung
des Völkerkundemuseums der Universität Zürich (mit Beiträgen von Sonja
Furger, Ursina Maurer und Sascha Renner). Offizin Verlag, Zürich 2001,
168 S., 138 Tafeln, 37 Abb., sFr. 58.-
Völkerkundemuseum der Universität Zürich
Pelikanstr. 40, 8001 Zürich
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 10 - 13 und 14 - 17 Uhr
Samstag: 14 - 17 Uhr
Sonntag: 11 - 17 Uhr
Eintritt frei
Überblick
Das Völkerkundemuseum der Universität Zürich zeigt aus seiner eigenen
bedeutenden Afrika-Sammlung rund 140 herausragende Kunstwerke aus West-,
Zentral- und Südafrika, die noch nie oder seit langer Zeit nicht mehr
ausgestellt waren. Die meisten datieren vom Ende des 19. bis Mitte des 20.
Jahrhunderts und repräsentieren Kunsttraditionen, die heute nicht mehr,
oder nicht in ihrer einstigen Form lebendig sind.
Die Ausstellung ist thematisch ausgerichtet. Die Kunstwerke werden sechs
begrifflichen Gegensatzpaaren zugeordnet und kunstethnologisch
interpretiert. Im Vordergrund stehen Bedeutung und Funktion.
schön/hässlich,
oben/unten, sinnlich/übersinnlich, mangel/überfluss, diesseits/jenseits,
wissend/unwissend.
schön/hässlich
bezieht sich auf Aesthetik und Ethik, die im traditionellen Afrika beinahe
dasselbe sind. Busoga nennen die Lega (Demokratische Republik Kongo), was
bei den alten Griechen kalokagathia hiess und "Schön-gutheit"
bedeutet. oben/unten erzählt von Herrschaft und Hierarchie, mangel/überfluss
thematisiert Erfahrung, sinnlich/übersinnlich verweist auf Magie und
Wahrsagen, diesseits/jenseits behandelt das Verhältnis zwischen Lebenden
und Toten, wissend/ unwissend erläutert die Produktion, Verwaltung,
Vermittlung und Verteilung von gesellschaftlich relevantem Wissen.
Weshalb
die Themen kontrapunktisch benannt sind? Weil die Kunst diese in Gegensätzen
aufgreift und behandelt, wenn auch nicht immer explizit. Implizit tut es
jedes Kunstwerk, weil immer
auch das Gegenteil von dem mit dabei ist, worauf es sich ausdrücklich
bezieht. Zum Beispiel dienen die akuaba-Figuren der Akan (Ghana) der Förderung
der Fruchtbarkeit und indem sie es tun, verweisen sie zugleich auf das
Gegenteil, die Unfruchtbarkeit - das Schlimmste, was einer Akan-Frau
zustossen kann.
Texttafeln
führen in die Ausstellung ein. Neben Figuralplastik und Masken sind
Terrakotten, Textilien und
Schmuck ausgestellt. Im grossen Ausstellungssaal des zweiten Stockwerks
wurde eine der Längsachse nach orientierte Bühne errichtet, auf der die
Kunstwerke frei platziert sind. Ihr gegenüber verlaufen entlang der Wände
Glasfrontgalerien, in denen eher kleinformatige Objekte gezeigt werden.
Die grossen Skulpturen stehen frei im Saal.
Konzept
und Planung: Miklós Szalay unter Mitarbeit von Studenten der
Kunstethnologie.
Anlässlich
zur Ausstellung erscheint das dritte Katalogbuch zur Afrika-Sammlung des Völkerkundemuseums.
Im ersten Band werden die Kunstwerke aus soziologischer Sicht betrachtet,
im zweiten ins Licht der Aesthetik gerückt (Szalay 1994, 1995). Der
dritte Band betont nun Bedeutung und Funktion der Kunstobjekte.
Miklós
Szalay: schön/hässlich. Gegensätze. Afrikanische Kunst aus der Sammlung
des Völkerkundemuseums der Universität Zürich (mit Beiträgen von Sonja
Furger, Ursina Maurer und Sascha Renner). Offizin Verlag, Zürich 2001,
168 S., 138 Tafeln, 37 Abb., sFr. 58.-
Führung durch die Ausstellung: Sonntag, 1. April um 11 Uhr mit Miklós
Szalay oder nach individueller Vereinbarung. Spätere Führungen siehe Völkerkundemuseum-Programm,
Tagespresse, www.musethno.unizh.ch
Pressetext: Ergänzender Text
Ausstellung und
Katalogbuch sind thematisch ausgerichtet. Die Kunstwerke werden sechs begrifflichen Gegensatzpaaren zugeordnet und
kunstethnologisch interpretiert. Im Vordergrund stehen Bedeutung und
Funktion.
SCHÖN/HÄSSLICH
In den Sprachen der meisten afrikanischen
Gesellschaften, deren ästhetische Wertvorstellungen untersucht wurden,
sind »schön« und »gut« synonym, das heisst, beide Qualitäten werden
durch ein einziges Wort ausgedrückt. Dieses Wort meint gut gemacht, schön,
angenehm für die Sinne, recht, brauchbar, genau, richtig, der Tradition
und den Erwartungen gemäss. Es steht im Gegensatz zu dem Wort, das hässlich,
übel, schlecht, gemein, unrein, unbrauchbar, falsch gemacht, unpassend,
ungehörig bedeutet. Dieses Denken, welches ästhetische mit moralischen
Werten gleich setzt, ist weit über Afrika verbreitet.
Im traditionellen Afrika galt ein Kunstwerk dann als
gelungen, wenn in ihm die formalen Prinzipien umgesetzt waren, die einen
positiven Sinn transportierten: Harmonie, Ausgeglichenheit, Symmetrie (in
bewusst freier Handhabung), sowie sorgfältige handwerkliche Fertigung.
Wichtig war auch die genaue Ausarbeitung der Details, vor allem der stark
symbolgeladenen Teile wie Frisuren und Hautritzungen, sowie glatte und glänzende
oder mit erneuertem Farbanstrich aufgefrischte Oberflächen. Es wurden
aber absichtlich auch solche Kunstwerke geschaffen, die diesen Kriterien
nicht genügten, ja sie geradezu umkehrten. Die formal ungenügenden
Kunstwerke standen immer für negative Werte, die man allerdings in
positiver Absicht aufzeigte. Sei es, um Moral zu lehren oder um zu
belustigen, sei es, um die unter dem Druck der Hierarchien und Erwartungen
aufgehäuften Spannungen zu lösen, oder
um das Machtpotential des Negativen für sich zu nutzen.
Im Zentrum der Maskeraden der Baga standen zwei
entgegengesetzte Gestalten, D’mba und D’mba-da-tshol (PRESSEFOTO
1).
D’mba ist charakterisiert durch klare Linien, symmetrische Gliederung
der Volumina, feine und polierte Oberflächen. D’mba-da-tshol hingegen
ist die hässliche und lächerliche Karikatur D’mbas, mit allerlei Mängeln
behaftet. „It ist an ugly mask“ sagen die Baga. Sie hat nur eine
Brust, die vergleichsweise klein, ja, oft sehr klein ist. Ihr fehlt das
zweite Ohr, und die Augen unter der stark gewölbten Stirn sind entweder
gar nicht vorhanden oder sie wirken wie Löcher. Ihre Nase ist ungestalt
und winzig, es fehlt eine elaborierte Frisur und schmückende Accessoires.
Die Nägel auf D’mba-da-tshols Stirn und über den Augen sind matt und
rostig – der Glanz fehlt, der nach den Baga Intelligenz symbolisiert.
Ihr Auftritt war eine Lachnummer: In einem groben Kostüm schleppte sie
sich umher, strauchelte und hüpfte, begleitet von lärmender Musik. Ihr
Benehmen war albern, rüpelhaft und respektlos. Während der Ernst, die
Strenge und Würde D’mbas zu Wohlverhalten an-hielten, liess
D’mba-da-tshols schräge Art alles zu und wirkte entspannend. Ihr
Auftritt erfüllte eine Ventilfunktion.
D’mba und D’mba-da-tshol markierten die beiden Pole
im menschlichen Verhalten: D’mba stand für das Zivilisierte und die
Vernunft, D’mba-da-tshol für die Wildnis und das Triebhafte. D’mba
verkörperte die positiven Werte der Baga, D’mba-da-tshol die Antinorm.
In ästhetischen Begriffen ausgedrückt: D’mba repräsentiert das Schöne,
D’mba-da-tshol das Hässliche.
OBEN/UNTEN
Unter der Sitzfläche des Häuptlingsstuhles der
Aschanti ist ein Figurenpaar zu sehen: Der eine der beiden Männer sitzt
auf einem Stuhl und weist mit dem linken Arm den anderen ab, der vor ihm
steht und in eine Schüssel greift (PRESSEFOTO 4). Es handelt sich dabei um die plastische Umsetzung eines
Sprichwortes, das lautet: »Das Essen gehört dem rechtmässigen Eigentümer
und nicht dem, der Hunger hat«. Dieses Sprichwort lässt sich allgemein
als eine Aufforderung zu normkonformem Sozialverhalten verstehen. Es
bezieht sich hier speziell auf das Amt des Häuptlings, dargestellt in der
Figur des sitzenden Mannes. Das Amt gehört demjenigen, dem es rechtmässig
zusteht – und nicht demjenigen, der es begehrt! Dem hohen
gesellschaftlichen Rang des Häuptlings entspricht die Sitzstellung und
die Vollkleidung – er ist in ein kente-Tuch
gehüllt. Sein Gegenüber, stehend und halb nackt, repräsentiert das
Volk.
So explizit wie in Ghana wurde die Gesellschaftsordnung
in der afrikanischen Kunst selten dargestellt. Jedoch verwiesen Kunstwerke
in jeder Gesellschaft auf soziale Unterschiede. Das geschah allein schon
dadurch, dass Verwaltung,
Manipulation und Interpretation jeweils nur gewissen Einzelnen und/oder
Gruppen vorbehalten waren. Diese bildeten eine Elite, nicht nur in Sachen
Kunst, sondern auch in politischer, religiöser, sozialer und
wirtschaftlicher Hinsicht. In
den hierarchischen Gesellschaften existierte neben dem hohen auch ein
niedriger Stil. Diese Objekte unterscheiden sich sowohl inhaltlich als
auch in ihrer Machart von denen der hohen Kunst; sie sind vergleichsweise
roh gearbeitet und von geringer Qualität.
SINNLICH/ÜBERSINNLICH
Alle afrikanischen Gesellschaften suchten ihr Wohl
vorerst durch Mittel und Wege zu fördern, die auf nachvollziehbare Erfahrungen zurückgingen. Die Bewirtschaftung der
Felder, das Heilen von Krankheiten und das Streben nach Glück folgten zunächst
zweckrationalen Prinzipien. Weil das Handeln nach diesen Prinzipien oft
nicht das gewünschte Ergebnis zeitigte, rekurrierte man auf
Verfahrensweisen, die Übersinnliches beschwörten. Die Vorstellung über
die Existenz und Verfügbarkeit übersinnlicher Kräfte entsprang dem
Defizit, das man oft bei der Anwendung von Handlungsprinzipien gewärtigt,
die sich von Erfahrungen ableiten lassen. So gesehen ist eine übersinnliche
Erfahrung nicht etwa das Gegenteil, sondern die Verlängerung einer
sinnlichen Erfahrung.
In Afrika war die Vorstellung weit verbreitet, dass
bestimmten Materialien Kräfte und Energien innewohnen, die zum Wohle oder
zum Nachteil der Menschen freigesetzt werden können oder sich gar selber
freisetzen. Bei der Beschwörung übersinnlicher Kräfte wurden oft
Statuen herangezogen, die in der Regel als deren Deponien und Verkörperungen
galten.Ein Beispiel: Die Teke benutzten eine Vielzahl magischer Figuren (nkisi),
um das Glück – Erfolg auf der Jagd und im Handel, Kinderreichtum –
auf ihre Seite zu ziehen, oder um das Unglück in Form von Krankheiten
oder Schadenzauber abzuwenden. Nkisi
entstanden in einem zweistufigen Prozess: Am zylinderförmigen Rumpf
brachte der Schnitzer der meist menschengestaltigen Figuren eine Höhlung
an, worin der Medizinmann die magisch wirksamen Substanzen versenkte. Die
ausgestellte nkisi-Figur wurde für Heilrituale bei Schwangerschaftsbeschwerden
verwendet. Die typische, ballonartige Auswölbung des Rumpfes entstand
infolge des Lehms, der, in mehreren Lagen aufgetragen und mittels
Stoffstreifen fixiert, die Medizinalsubstanzen birgt (PRESSEFOTO
6). Während der Behandlung stellte man die Figur neben die liegende
Schwangere und bestreute deren Abdomen mit Heilsubstanzen. Der Gegensatz
zwischen dem schön gestalteten Haupt und dem Rumpfpaket, der das magische
Potential der Figur ausmacht, ist augenfällig. Dieses Haupt verweist auf die Notwendigkeit, die Mächte mit Hilfe
der schönen Form zu lenken.
MANGEL/ÜBERFLUSS
Wie überall, so auch in Afrika, wurde Überfluss mit
Freude hingenommen. Überfluss schuf günstige Vorbedingungen für die
Kunst: Er ermöglichte es, Werke zu realisieren, deren Herstellung
aufwendig und mit hohen Kosten verbunden waren, sowie Feste zu feiern, die
oft Anlass zur Präsentation von Kunstwerken boten.
In den meisten afrikanischen Gesellschaften suchte man
über die praktische Arbeit hinaus den landwirtschaftlichen Ertrag rituell
zu mehren, um Knappheit und Not vorzubeugen. Ähnliche Massnahmen zielten
auf die Förderung der menschlichen Fruchtbarkeit ab. Nachkommen waren die
Versicherung für das Alter und garantierten den sozialen Fortbestand. Es
überrascht daher nicht, dass Fruchtbarkeitsrituale für Ernten und
Menschen in der traditionellen Kunst ein zentrales Thema darstellte.
Die Bamana in Mali sind Bauern und leben in einer
kargen, durch Dürre und Flut gefährdeten Landschaft. Es kommt vor, dass
im Jahr fünfmal ausgesät werden muss, um eine einzige Ernte
einzubringen. Um die Fruchtbar-keit der Felder zu fördern, wurden während
der Bestellung und Aussaat rituelle Handlungen ausgeübt, wobei die
bekannten Antilopen-Aufsatzmasken auftraten (PRESSEFOTO 8).
Bei den Akan in Ghana wurde versucht, Kinderlosigkeit
mittels akuaba-Statuetten zu
verhindern. Akua, eine Aschanti-Frau – so wird erzählt – war am Rande der Verzweiflung, weil sich ihr Kinderwunsch nicht erfüllen
wollte (PRESSEFOTO 9). Sie wandte sich daher an einen Priester, der ihr
riet, eine Puppe aus Holz (dua ba) schnitzen zu lassen und mit dieser so umzugehen, als wäre
es ihr richtiges Kind. Akua befolgte den Rat, trug die Figur auf dem Rücken
mit sich herum, stillte und badete, hätschelte und verwöhnte sie. Bald
wurde sie schwanger und gebar ein schönes Mädchen. Dies sprach sich
herum, und in der Folge wandten alle Akan-Frauen, die schwanger werden
wollten, diese Methode an – und sie tun es zum Teil noch heute. Die
kleine Figur erhielt den Namen »Akuas Kind«, aku
aba.
DIESSEITS/JENSEITS
Die beiden Welten, Diesseits und Jenseits, bedeuteten
zwar unterschiedliche Seinsweisen, waren aber in der Vorstellung aller
afrikanischer Gesellschaften miteinander verzahnt. Die Lebenden brauchten
den spirituellen Beistand der Verstorbenen, die die Mächte der Natur zu
lenken und die Geschicke der Lebenden zu beeinflussen vermochten. Die
Verstorbenen wiederum waren auf die rituellen Zuwendungen und Opfergaben
der Lebenden angewiesen.
Die Fang dachten, ihre Ahnen hielten sich in einem Land
jenseits des Meeres auf. Sie nannten es das Land der Weissen. Aus diesem
fernen Land kehrten manche Geister hin und wieder zu den Lebenden zurück,
um in der Not beizustehen, Übel abzuwenden, sie nötigenfalls zu
ermahnen, oder einfach, um bei ihnen zu sein. Während den kultischen
Handlungen wurden die Reliquien bedeutender Verstorbener ins Freie geholt,
mit Salben und Oel eingerieben und mit Opfergaben beschenkt. Dabei traten
auch die ngontang-Masken auf,
die ursprünglich einen zurückgekehrten Geist verkörperten und später
bloss noch der Unterhaltung dienten (PRESSEFOTO 10).
Wie die Fang, so verwahrten auch die Kota die Schädel
und einzelne Knochen ihrer wichtigen Ahnen in Körben, auf welche sie anthropomorphe Figuren (mbulu)
setzten (PRESSEFOTO 11). Es handelt sich dabei um flache, stark
abstrahierte, beinahe graphisch wirkende Kopfplastiken, die in der
afrikanischen Kunst ihresgleichen suchen. Man bezeichnet die mbulu
auch als Wächterfiguren; ihre wichtigste
Funktion war das Bewachen der Ahnenreliquien. Diese galten als
kraftgeladen und fruchtbarkeitsfördernd. Durch Berühren übertrug sich
ihre magische Energie, weswegen hilfebedürftige Gläubige sie aufsuchten.
Ferner wurden sie gleich einem Orakel vor anstehenden Entscheidungen
befragt, auch dienten sie als
Schutz vor Schadenzauber. Weil der Glanz ihrer Metallbeschläge an die
Wiederkehr des Tageslichts erinnerte, glaubten die Kota, dass die mbulu
die böswilligen Zauberer fernhielten, die besonders nachts gefährlich
waren.
So wie auf Erden gewisse Menschen mächtiger sind als
andere, so besitzen nach dem Tod manche Personen mehr Macht. Die Akan stellten in Erinnerung an wichtige Verstorbene einige Zeit
nach deren Tod an einem Ort ausserhalb der Siedlung Figural- und
Kopfplastiken (mmaso) aus
gebranntem Ton auf, als Abbild der Verstorbenen. In zentraler Lage stand der/die Verstorbene, um ihn/sie herum
im Halbkreis gruppiert die Gefolgschaft, z. B. Musiker, Sprecher, Schwertträger, Frauen -- so
wie er/sie in der Oeffentlichkeit aufzutreten pflegte (PRESSEFOTO
12).
WISSEND/UNWISSEND
In jeder Gesellschaft gibt es Wissensbestände, die
nicht allen Personen offen stehen. Erst eine entsprechende Ausbildung
macht es dem Einzelnen möglich, spezielles Wissen zu erwerben und als
Ressource zu nutzen. Auch im traditionellen Afrika war gesellschaftlich
relevantes Wissen an unterschiedliche Grade von Exklusivität geknüpft.
Die Eingeweihten, oft eine kleine Minderheit, waren meist auf strikte
Geheimhaltung gegenüber Aussenstehenden bedacht, so im Falle des weit
verbreiteten Bundwesens. Zu den vielfachen Aufgaben dieser Institutionen
gehörte vor allem auch eine erzieherische. Der Zugang zu den Bünden führte
über die Initiation, in der Regel vollzogen in Abgeschiedenheit, ausserhalb der dörflichen Welt unter Ausschluss der nicht
Eingeweihten. Mit dem Erwerb von Wissen erfolgte zugleich ein
Statuswechsel, beispielsweise vom Kind zum Erwachsenen, oder das Vorrücken
in eine gesellschaftlich angesehene Position.
Mit den Bünden assoziiert waren neben geistigem Besitz
auch eine Reihe von Objekten, verteilt auf bestimmte Altersgruppen und
Initiationsgrade. Die motivreichen Yaka-Masken standen in unmittelbarer
Beziehung zur Knaben-Initiation. Deren wichtigster Teil war die
Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten, welche im Erwachsenenalter
erforderlich waren: Die jungen Männer wurden angewiesen, mit ihrer
Zeugungsfähigkeit im Sinne der Heirats- und Sozialordnung umzugehen, sie
wurden in die Kunst der Jagd eingeweiht, im Tanz unterrichtet und mit Legenden, Geschichten, Liedern und Sprichwörtern – codierte
Weisheiten – vertraut
gemacht. Die dafür notwendige Zeit erstreckte sich über ein bis drei Jahre in einem
abgeschiedenen Buschlager.
Die oft nur handgrossen und meist figürlichen Objekte
der Lega waren ausschliesslich im Besitz des bwami-Bundes. Sie sind materielle Chiffren für Wissen um Tradition,
Religion, Philosophie und Sozialethik (PRESSEFOTO 14). Die ranghöchsten
Mitglieder des bwami führten
sie den Novizen im Rahmen der Initiationsriten zu Belehrungszwecken vor.
Sie dienten vor allem der Untermauerung von Lehrsätzen. Der Zugang zu dem
von der bwami-Elite verwalteten Wissen öffnete sich erst mit zunehmendem
Alter aufgrund erworbener Verdienste.
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1) Kopfaufsatz d'mba-da-tshol der Baga, Guinea.
Die Maske verkörpert Hässlichkeit und galt als besonders mächtig.
2) Maske dyoboli koun der Marka/Soninke, Mali. Sie repräsentiert
die Dorfschönheit Dyoboli. Der kammartige Fortsatz auf dem Scheitel ist
eine gezielte Verunzierung – keine Schönheit ist makellos.
3) Kopfaufsatz sa-sira-ren der Baga, Guinea. Die Maske
repräsentiert den Idealtyp der jungen Weiblichkeit, Sa-sira-ren ist der
Inbegriff jugendlicher Schönheit.
4) Häuptlingsstuhl der Aschanti, Ghana. Die sitzende
Figur, in Tuch gehüllt, repräsentiert den Häuptling, sein Gegenüber,
stehend und halb nackt, das Volk.
5) Elefantenmaske tso der Babessi, Kameruner Grasland.
Nach Auffassung der Grasland-Bewohner standen die Tiere in einem
hierarchischen Verhältnis zueinander, vergleichbar der Rangordnung in der
Welt des Menschen. Der Elefant wurde mit dem König in Beziehung gesetzt, er
galt – zusammen mit dem Leopard und der Python – als Symboltier der
Herrschaft.
6) Magische Figur nkisi der Teke, Demokratische
Republik Kongo. Sie wurde für Heilrituale bei Schwangerschaftsbeschwerden
verwendet. Das Rumpfpaket enthält die magischen Substanzen; das feine Haupt
verweist auf die Notwendigkeit, die Mächte mit Hilfe der schönen Form zu
lenken.
7) Janusköpfige Stülpmaske der Ejagham, Nigeria. Die
Hautfolie über dem Maskenkörper diente vermutlich zur magischen Aufladung
der Maske und Potenzierung ihrer Wirkmacht.
8) Aufsatzmaske tyi wara der Bamana, Mali. Dieser
Figuralaufsatz verkörperte das mythische Wesen Tyi wara, das den Bamana die
Kenntnis des Ackerbaus brachte und ihnen als Kulturstifter galt. Die Figur
wurde auf einer geflochtenen Kappe
befestigt und auf dem Kopf getragen. Der Maskentänzer trug ein Kostüm aus
Pflanzenfasern.
9) Figur akuaba der Akan/Bono, Ghana. Frauen mit
Kinderwunsch trugen akuaba-Puppen mit sich herum, um die Schwangerschaft zu
begünstigen und besonders schöne Kinder zur Welt zu bringen.
10) Maske ngontang der Fang, Gabun. Ngontang, "das
weisse Mädchen", ist ein aus dem Jenseits zurückgekehrtes Wesen.
Kaolin, der weisse Ton, womit die vier fein polierten Gesichtsflächen ihrer
Maske bemalt sind, ist die Farbe der Toten. Die ngontang-Masken dienten primär
dem Ahnenkult.
11) Reliquiarfigur mbulu der Kota, Gabun/Volksrepublik
Kongo. Die Figur war über einem Korb befestigt, in dem der Schädel und
einzelne Knochen eines Verstorbenen aufbewahrt waren.
12) Gedenkkopf der Akan, Ghana. Die Gedenkköpfe und
-figuren aus gebranntem Ton sind schematisierte Porträts wichtiger
Verstorbener, ihrer Familienangehörigen, Diener, Sklaven und Gefolgsleute.
13) Maske n'domo der Bamana, Mali. Die Maske war im Besitz der Initiationsgesellschaft
n'domo. Während der
Ausbildungszeit setzten sich die jungen Männer mit Themen auseinander wie
Tod und Leben, Mensch und Kosmos, der Einzelne und die Gemeinschaft.
14) Weibliche Figur der Lega, Demokratische Republik
Kongo. Anthropomorphe Figurinen versinnbildlichten die überzeitliche Gültigkeit
der Tugenden, für die der bwami-Bund einstand: Unparteilichkeit, Weisheit,
Urteilskraft, Einfühlungsvermögen und Grosszügigkeit. Solche Figurinen gehörten zum persönlichen Besitz eines
Initiierten, der in den höchsten Grad des bwami-Bundes aufgestiegen war.
Die über Generationen tradierte Weitergabe machte sie zu einem Bindeglied
zwischen lebenden und verstorbenen Bundmitgliedern.
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