In den Strassen von Shanghai
Chinesisches und westliches Leben in Fotografien (1910 –1930)
Foyersaal
31. Oktober 2002 bis 3. April 2003
Vernissage: Mittwoch, 30. Oktober 2002, um 18.30 Uhr.
Zur Ausstellung erscheint die
Publikation:
Nafzger, Barbara und Kümin, Beatrice. In den
Strassen von Shanghai: Chinesisches und westliches Leben in Fotografien
(1910–1930). Zürich: VMZ, 2002. 135 Seiten, 11 farbige und 82
schwarzweisse Abbildungen. Fr. 19.–
ISBN 3-909105-42-4
Völkerkundemuseum der Universität Zürich
Pelikanstr. 40, 8001 Zürich
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 10 – 13 und 14 – 17 Uhr
Samstag: 14 – 17 Uhr
Sonntag: 11 – 17 Uhr
Eintritt frei
Pressetext kurz:
In den frühen Jahren des 20.
Jahrhunderts galt Shanghai als "Paris des Ostens". Die Stadt war
bekannt für ihre prachtvollen Bauten am Bund,
beliebt für die noblen Einkaufsläden entlang der Nanjing Road und berühmt
für die zahlreichen Restaurants, Nachtclubs, Tanzlokale und Bordelle.
Das Völkerkundemuseum präsentiert
in Zusammenarbeit mit dem Ostasiatischen Seminar der Universität Zürich,
Abteilung Sinologie, eine Fotoausstellung, die Shanghai als einen Ort
zeigt, wo sich in einzigartiger Kombination westliche und östliche
Elemente trafen und wo Modernes neben Traditionellem existierte.
Die
faszinierenden Aufnahmen widerspiegeln einerseits das Leben der ausländischen
Stadtbewohner, ihre Aktivitäten in den zahlreichen Clubs und die Ausflüge
zu den umliegenden Sehenswürdigkeiten. Auf der anderen Seite erzählen
sie von der Alltagskultur der Chinesen hinter den Prachtstrassen in den
engen Gassen und düsteren Fabrikräumen.
Pressetext lang:
Das Völkerkundemuseum Zürich zeigt rund 70 Aufnahmen von Schweizer Amateurfotografen, die im Zeitraum zwischen 1910 und 1930 entstanden. Die kolorierten Glasdias und Schwarzweiss-Aufnahmen dokumentieren die verschiedenen Lebensbereiche Shanghais: Die Welt der ausländischen und chinesischen Stadtbewohner, im Alltag und bei der Arbeit sowie bei Freizeitvergnügungen und Ausflügen in die Umgebung der Stadt.
Shanghai war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Ort, wo sich in einzigartiger Weise westliche und östliche Elemente trafen und wo Modernes neben Traditionellem existierte: Hinter der eleganten Fassade mit den Prachtbauten am Bund reihten sich die zweistöckigen Reihenhäuser der Fabrikarbeiter, auf dem Huangpujiang zogen stählerne Meeresdampfer an den Dschunken und Hausbooten vorüber, das Quietschen der elektrischen Trams verband sich mit den Rufen der Strassenhändler und der Gestank der Automobilmotoren mischte sich mit den Gerüchen der Strassenküchen.
Die Hafenstadt zog viele Ausländer an, die in der Regel in ausländischen Fabriken, Manufakturen und Handelshäusern leitende Positionen einnahmen oder in der Stadtverwaltung arbeiteten. Die Shanghailänder –
wie sich die in Shanghai lebenden Ausländer selber nannten – führten ein äusserst angenehmes Leben im damals üblichen kolonialen Stil. Die Freizeit verbrachten sie häufig in einem der vielen Clubs, wo man neben sportlichen Aktivitäten gesellschaftliche und geschäftliche Beziehungen pflegte. Die meisten Ausländer schlossen China und die Chinesen aus ihrem Leben aus.
Eine willkommene Abwechslung zum Stadtleben boten die Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung Shanghais. Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes reisten die Shanghailänder sowie die ausländischen Touristen vornehmlich mit dem Zug und bestiegen anschliessend ein vorausgeschicktes oder vor Ort gemietetes Hausboot, um ihre Reise auf einem der zahlreichen Wasserwege fortzusetzen.
Trotz seiner modernen westlichen Fassade war Shanghai aber eine chinesische Stadt, die mehrheitlich von Einheimischen bewohnt wurde: Im Jahr 1925 waren von den 2.5 Millionen Einwohnern 98% Chinesen. Das urbane Leben lockte sowohl reiche Unternehmer und Intellektuelle an, als auch verarmte Bauern, die in der verheissungsvollen Stadt ein besseres Leben suchten. Es war der grosse Traum vieler mittelloser Immigranten, Arbeit in einer Fabrik zu finden. Die meisten arbeiteten jedoch als Rikschakuli, Hafenarbeiter und Strassenhändler oder verdienten sich ihren Lebensunterhalt als Prostituierte und Bettler.
Die ausländischen Bewohner Shanghais pflegten wenig persönlichen Kontakt zur chinesischen Bevölkerung, aber ihre Neugier am fremdartigen Leben war gross. Das betriebsame Leben in den Strassen bot den westlichen Augen den erhofften Einblick in den chinesischen Alltag: Singende Strassenhändler und exotische Transportmittel passten in das Bild, das sie sich von China machen wollten. Szenen dieser Art wurden fotografiert und als Erinnerungsobjekte und Beweisstücke nach Hause gebracht.
Der Blick aufs fremde Leben widerspiegelt sich auch in den Bildern, insbesondere in der Wahl der Themen und Motive. Die Fotografien erzählen deshalb nicht nur eine visuelle Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, sie sind auch Dokumente, wie westliche Augen die Chinesen und ihre Welt wahrgenommen haben.
Historische Fotografien aus dem China des 19. Jahrhunderts stiessen in den letzten Jahren auf ein grosses Interesse, doch Bilder –
insbesondere Amateuraufnahmen – aus den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts waren bis anhin kaum Gegenstand einer vertieften Untersuchung. Sowohl für den Westen als auch für China bildet dieses Material jedoch ein faszinierendes und lohnenswertes Forschungsfeld.
In der Ausstellung geht es darum, ein Shanghai zu zeigen, das nicht nur dem exotischen, kolonialistischen Bild entspricht. Sie präsentiert die fotografische und vielfach auch ethnographische Dokumentation verschiedener Lebensbereiche, die im Vertragshafen Shanghai zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierten. Mit den ungekünstelten Amateuraufnahmen und den Bildlegenden, die den Fotografien einen Kontext geben, will die Ausstellung den exotischen Kolorit Shanghais abschwächen, das oft einseitige Chinabild korrigieren und vielleicht eine neue Sicht auf die berühmte Stadt am Huangpujiang ermöglichen.
Ausstellung und gleichnamige Publikation sind in Zusammenarbeit mit dem Ostasiatischen Seminar der Universität Zürich, Abteilung Sinologie, entstanden.
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