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Wie entstehen Wörter und Bilder, die unsere Vorstellungswelten bevölkern? Mit dem Begriff „Derwisch“ lässt sich exemplarisch zeigen, welchen Einfluss Gesehenes und Buchwissen aufeinander haben, wie ein Vorstellungskomplex über die Zeit sich formt und bildet, welche Rolle Begrifflichkeit und mediale Darstellung darauf ausüben, was unsere Anschauung prägt.
Wer denkt heutzutage beim Wort Derwisch nicht gleich an die faszinierenden Drehtänzer aus der Türkei, welche wie der Dichter Rumi, der Gründer ihres Ordens aus Konya, mit Musik und Tanz ihrer Gottesliebe Ausdruck verleihen? Das persische Wort „Derwisch“ hat allerdings eine lange und bewegte Geschichte. Es bezeichnet, wie das gleichbedeutende arabische „Fakir“, eine arme Person, einen an der Tür anklopfenden Bettler und wurde schon früh von Sufis, islamischen Mystikern, zur Unterstreichung der eigenen Bedürftigkeit Gott gegenüber angenommen. Von aussen wurden mit diesem Begriff zwischen Ablehnung und Bewunderung schwankend – teils generalisierend, teils sich auf nur eine Ordensgruppe beziehend – sehr breit religiöse Grenzgänger aus dem Islam bedacht: dürftig in Felle gekleidete, sich selbst Verletzungen zufügende Gestalten; Liebeslieder singende und Gedichte rezitierende Wandergesellen; in lautem Schreien sich Gott anheimgebende Ekstatiker; und auch die in hinreissender Kreisbewegung sich versenkenden und zum Himmel erhebenden Tänzer in Konventen.
Im Bestreben, das islamische Ordenswesen beschreibend und darstellend zu fassen, haben westliche Berichterstatter seit der frühen Neuzeit ein Panorama an Porträts von als Derwische betitelten Personen gezeichnet und diese damit ein- und auszugrenzen versucht. Ablehnung, Faszination und Bewunderung, aber auch ordnende wissenschaftliche Bemühungen stehen gleichermassen hinter der Entstehung und Weitergabe von Beschreibungen, Zeichnungen, Stichen, Fotografien und auch Objektzeugnissen, die den Begriff „Derwisch“ illustrieren. Sie passen zu einer durchaus ambivalenten westlichen Wahrnehmung des Orients und prägen viele unserer Ansichten zum Islam bis heute.
Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von Text- und Bildquellen aus frühen Reiseberichten und Publikationen zum Osmanischen Reich. Verschiedene Traditionslinien von der Wahrnehmung und Repräsentation des „Derwischs“ werden seit ihren Anfängen und in ihrer diachronen Entwicklung nachgezeichnet.
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation von Andreas Isler und Paola von Wyss-Giacosa:
Gemachte Bilder – Derwische als Orient-Chiffre und Faszinosum.
Völkerkundemuseum der Universität Zürich 2017
136 Seiten, 62 Abbildungen, ISBN 978-3-909105-70-0, Fr. 27.–
Eingebettet in faszinierende Berichte älteren und jüngeren Datums wird in der Publikation der Bezeichnung Derwisch im Lauf der Zeiten und der Macht von Bildern, ihrer Entstehung, Verbreitung und Wirkung nachgegangen.