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Ich habe mir darüber Gedanken gemacht, was ich für Kalligraphie-Ausstellungen ausserhalb Japans neu und anders machen könnte. Das senkrechte Schreiben ist die Grundlage der sho-Kalligraphie. Sho-Kalligraphien drücken Himmel und Erde aus. Zugleich drücken sie Wörter in Schrift aus – und zwar Wörter, die man selbst verwendet oder sich zu eigen macht. Insofern sind für Menschen anderer Länder auf Japanisch geschriebene Kalligraphien nur Zeugnisse einer fremden Kultur. Wie könnte man das Gefühl für sho Menschen vermitteln, die kein Japanisch verstehen? So kam ich dazu, das lateinische Alphabet, das man ja in der Regel waagrecht schreibt, in der Weise des sho senkrecht zu schreiben.
Bei Ausstellungen in Portugal (2007 / 2010) und Frankreich (2009 / 2012) habe ich erfahren dürfen, dass Werke in den jeweiligen Landessprachen dort auf starkes Echo und Interesse stiessen.
Kinder wetteiferten darin, die Gedichte laut zu lesen, und Erwachsene sangen ein Chanson, das ich geschrieben hatte, im Chor und riefen sich «Bravo!» zu.
Dadurch, dass sie das Geschriebene auch lesen konnten, entwickelten sie Interesse an Tusche und Pinsel. Sie erfuhren, was sho heisst und dass es senkrecht von rechts nach links geschrieben wird. Diese Begegnungen haben in mir den Wunsch geweckt, in weiteren Ländern in deren Sprachen neue sho-Werke zu schaffen.
(Text der Künstlerin, übersetzt von Raji C. Steineck)