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Rückblick und Ausblick: Die Übernahme der ethnografischen Sammlung der Missionsgesellschaft Bethlehem (SMB) in Immensee

Eine Geschichte, die in die 1980er Jahre zurückreicht – und noch längst nicht zu Ende ist

Zwei Männer zeigen ein Boot aus der ethnografischen Sammlung der Missionsgesellschaft Bethlehem.
Das von SMB-Missionar Hans Egli gesammelte Ruderboot der Tao (Lan Yu, Taiwan) verlässt Immensee und begibt sich auf die Reise nach Zürich. Inv.-Nr. VMZ 35992. Foto: Elisabeth Vetter, 22.08.2018.

Der Anfang: Vom 11.09.1982 bis 27.03.1983 zeigte das Völkerkundemuseum der Universität Zürich (VMZ) die Kabinettausstellung «Schlange und Boot. Zwei altmalaiische Kulturen auf Taiwan». Kuratiert wurde sie vom Schweizer Bethlehem-Missionar Hans Egli, der einst in Zürich Ethnologie studiert, lange Jahre als Missionar auf Taiwan gewirkt und sich mit Forschungen über die indigene Gruppe der Paiwan einen Namen gemacht hatte.

Dreissig Jahre später: Nach dem Tod von Hans Egli am 13.12.2013 übernahm das VMZ auf Wunsch von Verwandten des Missionars die Schriften und ethnografischen Objekte aus seinem Nachlass. Den Prozess begleitete Elisabeth Vetter, seit 2010 Archivarin der SMB. Sie trat mit der Frage an die damalige Direktorin des VMZ, Prof. Dr. Mareile Flitsch (2008–2025), heran, ob das Museum sich vorstellen könnte, die gesamte ethnografische Sammlung der Missionsgesellschaft aufzunehmen. Denn: die Mitglieder der SMB alterten, in Immensee stand ein Umbau- und Neubauprojekt an, und die rund 3’500 Objekte zählende Sammlung lagerte in den Kellerräumlichkeiten des Missionshauses, nachdem das Missionsmuseum 2010 geschlossen worden war. Für das Archiv der SMB war 2014 im Staatsarchiv Luzern eine neue Bleibe gefunden worden. 

Und dann ging es zügig voran: 2015 erfolgte die Besichtigung der Sammlung vor Ort, und Ernst Wildi, der damalige Generalobere der SMB, beantragte die Schenkungsübergabe ans VMZ; 2017 erklärten sich die Missionsgesellschaft selbst, der Lotteriefonds des Kantons Zürich (heute: Swisslos-Fonds), die UBS-Kulturstiftung und die Markant-Stiftung bereit, die Übernahme finanziell zu unterstützen. Am 24. April 2017 bewilligte die Leitung der Universität Zürich die Annahme der Schenkung, im April 2018 wurde die Übernahmevereinbarung unterzeichnet. Von Mai bis August 2018 arbeiteten Mitarbeitende des VMZ täglich in den Kellerräumlichkeiten in Immensee und bereiteten die Sammlung für den Umzug nach Zürich vor. Sie sortierten, erfassten, säuberten und verpackten die Objekte und dokumentierten die Räume.

22. August 2018: Endlich war es soweit – in Immensee fuhren zwei grosse gelbe Lastwagen vor, die die kostbare Fracht ins VMZ überführten. Es folgten vier Jahre intensiver Arbeit durch Kuratierende, Restaurierende, Fotograf:innen, Registrarin, Archivarin und Praktikant:innen, in denen die Objekte ausgepackt, gereinigt, sofern erforderlich präventiv konserviert, vereinzelt restauriert, inventarisiert, fotografiert, archivtauglich verpackt und eingelagert wurden. Da bei der Inventarisierung alle Bestandteile eines Objekts einzeln berücksichtigt wurden, vervielfachte sich die Gesamtzahl der Sammlungsbestände; die rund 3’500 Objekte aus Asien, Afrika und Amerika sind aktuell mit 6’257 Einträgen in der Datenbank erfasst.

Im Sommer 2022 war die Übernahme  der «Ethnografischen Sammlung der Missionsgesellschaft Bethlehem (SMB)» abgeschlossen. Mit der Annahme dieser Schenkung realisierte das VMZ einen der umfangreichsten Objekterwerbe in seiner Geschichte und die erste und wohl einzige Übernahme einer kompletten Missionssammlung.

Oktober 2025: Eine Grundinventarisierung sagt für sich genommen wenig aus über die immateriellen Dimensionen von Sammlungsobjekten. Deshalb war von Anfang an ein wissenschaftlicher Bericht mitgedacht, als erste Handreichung für künftige Forschende, um ihnen den Zugang zu den Objekten zu erleichtern, aber auch zur transparenten Information an die Öffentlichkeit über den Verbleib der SMB-Sammlung in Zürich und des SMB-Archivs in Luzern. Mit der Verfassung dieses Berichts wurde Rebekka Sutter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am VMZ, betraut. Sie studierte Objekte und Archivalien, recherchierte Literatur und führte Gespräche. Nun liegt dieser Bericht (PDF, 9 MB) «Die ethnografische Sammlung der Missionsgesellschaft (SMB). Erwerbsgeschichte und Bestandesübersicht» vor – als letzter Meilenstein des Übernahmeprojekts und gleichzeitig Wegbereiter für die Zukunft.

Ausblick: Kurz vor Abschluss des Berichts traf eine Nachricht von Elisabeth Vetter ein: sie habe ein kleines Inventar im Archiv entdeckt, ob dieses vielleicht noch integriert werden könnte. Es konnte. Diese Episode zeigt, dass solche Projekte nicht ein für alle Mal abgeschlossen sind, sondern immer wieder Fragen auftauchen oder neue Entdeckungen gemacht werden. Denn anders als in der Vergangenheit, als ethnografische Museen eher Horte von Sammlungsgegenständen aus aller Welt waren, die beforscht und in Ausstellungen präsentiert wurden, rücken heute diese Gegenstände selbst verstärkt als Archive in den Blick, die koloniale und internationale Beziehungsgeschichten der Schweiz sichtbar machen.

Wir sind gespannt, welche Forschungsfragen an die SMB-Sammlung unser Wissen über die Missionsgesellschaft , über Missionssammlungen, über SMB-Missionare wie Hans Egli und zahlreiche Weitere, aber auch über die Sichtweisen vor Ort auf die Missionar:innen und ihre Tätigkeiten erweitern werden.

Team Völkerkunde?museum UZH

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