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«Dieses vom Standpunkt europäischer Zimperlichkeit so ekelhafte, aber entschieden sehr erfrischende Getränk», wie der Ozeanienfahrer Max Buchner es 1878 im Hinblick auf seine früher weit verbreitete Zubereitungsart durch Zerkauen der Wurzeln charakterisierte, hat Reisende und Sammler immer wieder fasziniert. Nach traditioneller Art werden die zerkleinerten Wurzeln des Rauschpfefferstrauches Piper methysticum in einer flachen, mehrbeinigen Holzschale mit Wasser frisch angerührt. Dies ergibt, abgesiebt, ein ausgesprochen würziges und erdig schmeckendes Getränk, dessen Einnahme rasch eine beruhigend berauschende Wirkung entfaltet. Es wird in strikt eingehaltener Reihenfolge den in einer Trinkrunde versammelten Gastgebern und Gästen ausgeteilt.
Kawa wird in weiten Teilen des Pazifik konsumiert; auf den westpolynesischen Inselgruppen Fidschi, Tonga und Samoa, auf welche sich die Ausstellung konzentriert, werden Getränk wie Pflanze yaqona, kava beziehungsweise ’ava genannt. Die traditionelle Herstellung des Kawa-Getränks variiert auf den verschiedenen Inselgruppen. Gemeinsam war allen Herstellungsweisen, dass die Wurzelstücke der Pflanze in zeremoniellem Rahmen gereinigt und durch Kauen oder Zerstampfen im Mörser zerkleinert, mit Wasser angerührt und anschliessend mit Hilfe eines Siebbündels aus Hibiskus- oder Kokosfasern in graziösen Bewegungen ausgesiebt wurden. Das Zerkleinern oblag bestimmten Gruppen, das Kauen beispielsweise jungen Männern oder jungen Frauen mit tadellosem Gebiss.
Eine ausgeprägte Hierarchie der Würdenträger, Oberhäupter und gewöhnlichen Leute ist ein Merkmal der althergebrachten Ordnung westpolynesischer Gesellschaften. Solche Rangunterschiede einerseits und die Unterscheidung zwischen empfangenden und besuchenden Gruppen andererseits bestimmen, wer in einer Kawatrinkrunde an welchem Platz sitzt und wem zu welchem Zeitpunkt in der festgelegten Trinkreihenfolge eine Schale Kawa gereicht wird. Im Geschmack ähnlich dem Süssholz, jedoch pfeffrig-scharf und ohne Süsse, erzeugt Kawa beim Trinken schon bald ein Taubheitsgefühl im Mund. Während sich die Muskeln im Körper entspannen, bleiben Geist und Gedanken klar, frei und friedlich.
Die Kawawurzel wird als Trägerin kraftvoller Substanzen nicht mehr nur für den Hausgebrauch, in Zeremonien oder als Gastgeschenk verwendet, sondern ist längst zu einem Objekt des internationalen Handels geworden. Im 20. Jahrhundert erlangte Kawa in Europa und den USA als Mittel zur Linderung von Stresssymptomen Beliebtheit. Einen Höhepunkt der Nachfrage erlebte der internationale Kawahandel in den 1990er Jahren. Der industrielle Anbau von Kawa wurde für so manche Pazifikinsel zu einer wichtigen Einnahmequelle.
2002 sprach das Deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel ein Verbot von Kavain-haltigen Medizinprodukten aus. Es wurde ein Zusammenhang mit Leberschädigungen bei Frauen angenommen. Es folgten weitere Verbote in der Schweiz und den meisten EU-Staaten.
Nach 12-jährigen Bemühungen des International Kava Executive Council Kawa zu rehabilitieren und die Handelsbeziehungen mit Europa wieder aufzubauen, entschied das Deutsche Bundesverwaltungsgericht kürzlich, das Verbot sei rechtswidrig und unangemessen und hob dieses wieder auf.
Fotos: Kathrin Leuenberger © Völkerkundemuseum der Universität Zürich