Reisbiere Ostasiens

Grund- und Lebenswasser zahlreicher Gesellschaften Ostasiens ist das Reisbier, doch überall in einer spezifischen, der jeweiligen Gesellschaft ureigenen Form, die sich in der Gestalt ihrer Trinkutensilien manifestiert: etwa in den Trinkopferstäben der Ainu, in den Bierfässchen Japans und in den Schädelschalen für Bieropfer an die grimmigen Gottheiten des tibetischen Buddhismus. Diese Dinge entstehen und bestehen nicht aus sich selbst: Sie werden von Menschen benötigt, geschaffen und benutzt, erworben, verschenkt, bedacht, kommentiert oder literarisch verwandelt. Der greifbare Gegenstand ist eingebunden in ein Geflecht von Sprache, von Stimmen. Diesen gilt es zu lauschen, sucht man zu verstehen, was die Getränke und Gefässe ihren Schöpfern wirklich bedeuten.

Der Reisbierbereich unserer Ausstellung untersucht die Zusammenhänge von materiellem Artefakt und Sprache anhand von Bierobjekten aus dem Himalaya-Raum, aus Nordostindien, China und Japan. Das ethnographische Artefakt ist kein Kunstwerk, dessen Bedeutung sich durch stille Betrachtung erschliesst; es ist ein Ding des täglichen oder festlichen Gebrauchs mit einer spezifischen, nur ihm eigenen Geschichte, die erzählt sein will. Es trägt einen Namen, genauso wie das Werkzeug, mit dem es gefertigt wird und das Material, aus dem es geschaffen wird und der Ort, wo dieses zu finden ist und der Pfad, auf welchem der Ort zu erreichen ist. Ist das Artefakt erst einmal vorhanden, wird es prüfend betrachtet, in Händen gedreht und gewendet, kommentiert, im Verkaufsgespräch angepriesen oder als Geschenk mit angemessenen Worten empfangen, es erhält seinen Platz im Haus oder Hof seines Besitzers und wird fortan benutzt als stummer Zeuge des Alltags seiner Besitzer und zuweilen literarisch verwandelt. Für sich alleine genommen ist das Artefakt nur ein Ding. Zum Klingen gebracht ist es eine kleine Welt.